Finanzlotsen
Atomstrom Ausstieg

Ausstieg aus dem Atomstrom – ein deutscher Sonderweg?

In der Nacht zum 16.04.2023 wurden in Deutschland die letzten drei Atomkraftwerke vom Netz genommen. Die ursprüngliche Abschaltung zum 01.01.2023 wurde aufgrund der Energiesicherheit durch den Streckbetrieb verschoben. Nun sind jedoch auch Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2 vom Netz gegangen. Der Einsatz von weiteren Brennelementen in Deutschland ist nicht mehr zulässig. Doch wie kam es zu diesem Ausstieg und wie ist die Geschichte der Atomenergie in Deutschland? Diese kleine Reise durch die Landschaft der Atompolitik sowie Zahlen und Fakten zu diesem Thema treten wir diese Woche bei den Finanzlotsen gemeinsam an.

Die Geschichte der Atomenergie in Deutschland

Die Atomkraft in Deutschland startete 1955 zunächst mit der Gründung des Bundesministeriums für Atomfragen am 16. Oktober. Mit der Gründung wurden 1956 erste Forschungszentren in Hamburg, Jülich, Berlin und Karlsruhe errichtet. Im Jahre 1959 folgte mit dem Atomgesetz die deutsche Rechtsgrundlage für die Errichtung von Atomkraftwerken und deren Betrieb. Dieses Gesetz trat am 01.01.1960 in Kraft – am 01.09.1960 folgte die erste Strahlenschutzverordnung.

Schon im Juni 1961 konnte der erste Atomstrom in das deutsche Stromnetz eingespeist werden. 1966 erfolgte die Inbetriebnahme des ersten kommerziellen Atomkraftwerks – das Kernkraftwerk Rheinsberg wurde in der DDR fertiggestellt und hatte eine Leistung von 70 Megawatt.

Atomkraftwerk

Nachdem 1967 in der Schachtanlage Asse begonnen wurde, radioaktiven Abfall einzulagern, wuchs der Bestand bis 1978 auf 124.500 Müllgebinde an. 1974 wurde das Atomkraftwerk Biblis in Betrieb genommen – das erste Atomkraftwerk mit 1.200 MW Leistung. 

Als 1986 der vierte Block des sowjetischen Atomkraftwerks in Tschernobyl wurde in Deutschland das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit gegründet. Der an den Unfall anschließende SPD-Parteitag beschließt einen Ausstieg aus der Atomenergie innerhalb von 10 Jahren.

Kernspaltung oder Kernfusion?

Das letzte deutsche kommerziell genutzte Atomkraftwerk ging 1989 in Greifswald ans Netz. Danach folgend erhielt 2004 der Standort Dresden die bislang letzte Genehmigung zum Bau eines Forschungsreaktors. Die Kernenergie kann grundsätzlich auf zwei Wege gewonnen werden. Die aktuell weltweit verwendete Variante setzt auf die Kernspaltung. Die zweite Variante ist die Kernfusion. Die Vorteile dieser Technologie sind erheblich. So sind die Energiemengen, die durch dieses Verfahren gewonnen werden können, erheblich größer als bei der Kernspaltung.

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Um zu verdeutlichen, welche Potenziale in der Kernspaltung liegen möchten wir dies etwas verdeutlichen. Bei der Verbrennung eines Kilogramms Kohle werden 33 MJ freigesetzt. Um diese Einheit deutlicher zu machen, rechnen wir diese in die bekannte Einheit Kilowattstunde um. Dies ist zugleich die Einheit, die bei Verbräuchen, Stromabrechnungen und Angaben bei Elektroautos angegeben werden. 

Ein MJ ergibt gerundet 0,278 kWh. Ein Kilogramm Kohle ergibt demnach 9,17 kWh. Für einen durchschnittlichen Singlehaushalt würde dies für 3 Tage Strom in der Wohnung reichen. Oder auch für 30-50 Kilometer Fahrt mit einem Elektroauto. 

Bei einem Kilogramm Uran in der klassisch angewendeten Kernspaltung werden insgesamt 583.333 kWh frei. Ein Singlehaushalt könnte nun nicht drei Tage, sondern 583 Jahre mit Strom versorgt werden. Ein Elektrofahrzeug hätte eine Reichweite von rund 3.200.000 Kilometern. Das würde für 80 Erdumrundung reichen. 

Bei der Kernfusion werden bei der Verwendung von einem Kilogramm Deuterium und Tritium (Wasserstoffvarianten mit einem oder zwei Neutronen zusätzlich im Atomkern) 94.444.440 kWh frei. Das entspräche für einen Singlehaushalt 94.444 Jahre Strom oder für 524.691.333 Kilometer reichen. Das sind 13.117 Erdumrundungen.

Diese Zahlen sind beeindruckend, aber nur schwer zu fassen, daher möchten wir dies einmal mit durchschnittlichen Haushaltsverbräuchen der Bundesrepublik darstellen. 

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Ein durchschnittliches Einfamilienhaus mit 4 Personen verbraucht 3.500 kWh im Jahr. 

Dieser Haushalt könnte mit einem Kilogramm Kohle weniger als eine Stunde Elektrizität nutzen. 

Mit nur einem Kilogramm Uran wären schon rund 167 Haushalte für ein ganzes Jahr versorgt. 

Mittels Kernfusion gewonnener Energie würde hingegen für rund 2700 Haushalte ausreichen.

Diese Unterschiede in der Energiegewinnung werden noch durch eine erhebliche größere Sicherheit bei der Kernfusion ergänzt. Denn das größte Problem der Kernfusion ist zugleich der größte Sicherheitsaspekt. Für die Kernfusion müssen die schweren Wasserstoffe Deuterium und Tritium zu einem Plasma stark erhitzt werden. Die Hitze, die dabei erzeugt werden muss, beträgt mehrere Millionen Grad Celsius. Dabei entsteht das Gas Helium. Gleichzeitig wird ein Neutron bei der Fusion frei. Dies stellt den Massenunterschied dar, der sich durch nutzbare Energie kennzeichnet.  Vorteilhaft ist dabei die Sicherheit der Kernfusion. Eine Kettenreaktion ist unmöglich. Sobald die magnetischen Felder, oder die Temperaturen nicht mehr im Optimalbereich liegen, ist die Reaktion beendet. Auch die Halbwertszeiten von der Kernfusion sind von großem Vorteil. Endlager sind hierbei nicht notwendig, da die Radioaktivität kürzer ist als ein durchschnittliches Menschenleben. Bei der Kernspaltung hingegen beläuft sich die Radioaktivität auf Jahrtausenden.

Internationale Entwicklung der Atomenergie (Atomstrom Ausstieg)

Während Deutschland sich schon vor 20 Jahren für den Ausstieg aus der Atomkraft entschieden hat, werden weltweit aktuell 56 Reaktoren neu gebaut. Insgesamt sind aktuell 420 Reaktoren in Betrieb.

Weltweit wurden jedoch auch schon 209 Reaktoren außer Betrieb genommen. Auch wenn in Deutschland mit dem Ausstieg insgesamt 33 Reaktoren vom Netz gegangen sind, ist die Zahl der Abschaltungen in den USA deutlich höher – insgesamt 41. Auch Großbritannien hat insgesamt schon 36 Reaktoren abgeschaltet. Sehr häufig wird das Argument angebracht, dass die Atomenergie weltweit auf dem Vormarsch sei. Dem ist faktisch nicht so. Der Höhepunkt der Nennleistung wurde im Jahr 2018 erreicht. Seitdem geht weltweit die Nennleistung aus Atomenergie zurück. Auch sind die 56 in Bau befindlichen Reaktoren nicht zusätzlich. Diese gleichen in großer Zahl Reaktoren aus, die aufgrund der Laufzeit vom Netz gehen müssen. Eine leichte Steigerung der Nennleistung wird daher nicht durch den Zuwachs an Reaktoren erwartet, sondern durch den Austausch alter durch neuerer leistungsfähigerer Reaktoren. Dass Deutschland dabei gegen den weltweiten Trend – einen deutschen Sonderweg einschlägt, ist anhand von Zahlen nicht ersichtlich. Lediglich vereinzelte Länder wie China, Indien und Russland bauen gegen den Trend ihre Kapazitäten weiter aus.

Der Ausstiegsprozess bei der Atomenergie in Deutschland

Wie oben schon beschreiben, erfolgte 1986 durch die SPD der erste Beschluss zum Ausstieg aus der Nuklearenergie. Mit dem Koalitionsvertrag der rot-grünen Koalition 1998 wurde erstmals der Ausstieg aus der Kernenergie auf Regierungsebene festgeschrieben. Nachdem die Laufzeiten einen faktischen Ausstieg aus der Atomenergie bedeutet hatten, wurden diese September 2010 im Kabinett Merkel II um durchschnittlich 12 Jahre verlängert. Grundlage hierfür war das Konzept Energie 2050. Schon im Juni 2011 die Kehrtwende – nachdem in Fukushima am 15.03.2011 ein Seebeben zur Havarie führte. Am 30.06.2011 wurde der Ausstieg bis spätestens 2022 beschlossen. Nach einer verlängerten Betriebslaufzeit bis zum 15.04.2023 wurden nun auch die letzten drei Atommeiler vom Netz genommen. Atomstrom Ausstieg in Deutschland.

Schnelle Lotsenrunde

Alle wichtigen Fragen zum Thema: Atomstrom Ausstieg

Wann wurde Tschernobyl vom Netz genommen?

Entgegen der allgemeinen Erwartung, dass Tschernobyl mit dem Unfall 1986 automatisch vom Netz ging, wurde erst am 15.12.2000 der letzte verbliebende Reaktor 3 stillgelegt.

Ist Atomstrom eine günstige Energieform?

Leider ist dies trotz hartnäckiger Behauptungen zu verneinen. Bei einer subventionsfreien Stromproduktion von Atomenergie würde sich unser heutiger Strompreis auf einen Schlag verdoppeln. Auch sind Kosten wie Transporte, Zwischenlagerung und eventuell einer künftigen Endlagerung Kosten, die mit dem Strompreis nicht gezahlt werden, sondern durch die Aufbringung von Steuergeldern.

Wie viele Atomkraftwerke gibt es weltweit?

Aktuell liefern weltweit 420 Reaktoren Strom. 56 Atomkraftwerke sind aktuell im Bau.

Dennoch nimmt die Nennleistung seit 2018 kontinuierlich ab. Von 381 GW 2018 auf 374 GW im Jahr 2021.

Die Lotsenfassung

Am 15.04.2023 ist Deutschland endgültig aus der Atomenergie durch Kernspaltung ausgestiegen. Trotz der häufigen Aussage, dass Deutschland damit einen weltweiten Sonderweg eingeht, lässt sich diese These nicht begründen. Lediglich einige wenige Länder bauen Ihre Kapazitäten weiter aus. Der weltweite Trend seit 2018 zeigt jedoch eine Abnahme der Nennleistung aus Atomstrom. Für die Zukunft birgt ohnehin die Kernfusion eine deutlich bessere Alternative. Bei besserer Sicherheit, geringerer Radioaktivität kann eine 15-fache Leistungskapazität bei gleicher Masse Brennmaterial erreicht werden. 

Wie stehst du zur Atomkraft? Findest du den Atomstrom Ausstieg richtig? 

 

Deine Finanzlotsen wünschen dir eine angenehme Woche.

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